Für die Serie „Kindheit“ wurde ein Kind hinter einer Milchglasscheibe fotografiert, ohne daß es die Fotografin bemerkte und das Kind daher ganz unbefangen in seinem Spiel verweilen konnte.
Sein Spiel drückt in Gesten und Körperbewegungen viele unterschiedliche emotionale Zustände aus, die von heiter bis angstvoll reichen. Das Milchglas als ein Symbol verweist in mehrfacher Weise auf eine Trennwand zwischen Innen- und Außenwelt, sowohl konkret als auch mental.
Wo fühlt sich das Kind zugehörig, wo ist sein Platz? Es befindet sich in einem noch unbekannten und unüberschaubaren Raum, in einem unscharfen Übergangsbereich von Kindheit und Erwachsen werden: zwischen Zartheit und Sinnlichkeit, zwischen Verletzlichkeit und Selbstbewußtsein, zwischen Unbefangenheit und Angst, zwischen Herbeirufen und Abweisen, zwischen Dazugehören und Alleinsein, zwischen Geborgenheit und Verlorenheitsgefühlen, zwischen selbstvergessenem Spiel und ängstlichem Rückzug ins eigene Selbst. In diesem Wechselbad der Gefühle und Erfahrungen finden die Abstimmungs- und Abgrenzungsprozesse statt zwischen eigenem Bereich und Umwelt. Kann das Kind Trennungslinien aushalten ohne sich im Alleinsein zu verlieren? Wo sind die Grenzen der Akzeptanz und des Ertragen-Könnens von Getrenntheit und Grenzziehungen auf Seiten des Kindes ebenso wie auf Seiten der Erwachsenen?
Die Arbeiten von Ingrid Pohl stellen auch an den Betrachter diese Fragen. Sie lassen ihn spüren, daß alle Deutungen des Wahrgenommenen Grenzen haben und unscharf bleiben müssen, weil die Grenzen des Anderen nicht wirklich überschritten werden können.